zum Inhalt springen
Die Marke Quebrada de Humahuaca: Mehr als farbenfrohe Berglandschaften?!

Quebrada de Humahuaca

Ganz im Nordwesten Argentiniens, an der Grenze zu Chile und Bolivien, liegt die Quebrada de Humahuaca (zu Deutsch: Schlucht von Humahuaca): Die 150 km lange Schlucht hat ca. 35.000 Einwohner (Stand nationaler Zensus 2010). 2003 wurde sie aufgrund des einzigartigen Zusammenspiels von Mensch und Natur und den mehr als 10.000 Jahre alten Spuren von Menschen zum Welterbe ernannt.

Interessiert hat mich während meines Forschungsaufenthaltes vor allem, wie die Quebrada de Humahuaca für Touristen vermarktet wird – von offiziellen Institutionen ebenso von den Bewohnern der Schlucht.

Laut der  Aussagen vieler (Rucksack-)Touristen, mit denen ich häufig eine Unterkunft geteilt habe, besuchten viele vor allem die landschaftlichen Sehenswürdigkeiten der Schlucht. Aber auch der Besuch der feria – einer Art Markt, wo man alltäglich Dinge kaufen kann– der Besuch der zahlreichen Souvenirgeschäfte sowie von Cafés und Restaurants schienen ihren Reiz zu haben.

Meine persönliche Erfahrung war auch, dass die Landschaften als eigentliche Sehenswürdigkeiten empfunden wurden. Sowohl Touristen als auch  Bewohner der Schlucht sprachen vor allem Empfehlungen in diese Richtung aus. Bei einer direkten Nachfrage in informellen Gesprächen äußerten viele Bewohner die Vermutung, dass die Touristen aufgrund der Landschaft und der kulturellen[1] Aspekten kämen. Sie sprachen in Humahuaca vor allem vom Hornocal, einer sehr bunten Bergkette in der Nähe Humahuacas. Auch von Festen in der Schlucht, allen voran Karneval, wurde mir häufig erzählt.

Mir gegenüber hat niemand eine Forderung nach weniger Touristen ausgesprochen. Negative Effekte, die mit dem Tourismus(-wachstum) verbunden sind, wurden jedoch genannt: Allen voran Landkonflikte, aber auch Probleme mit der Müllversorgung wurden herausgestellt. Wissenschaftliche Ansätze erklären, dass es vor allem seit der Nominierung zum Welterbe an der Regulierung des Tourismus fehle und es deshalb zu Problemen komme. Der Tourismus lässt sich auch aus diesem Blickwinkel betrachten.

Von den touristischen Institutionen wie Reisebüros, Touristeninformationen etc. wird der Tourismus nach wie vor aktiv beworben: Eine Untersuchung von verschiedenen Informationsmaterialien für Touristen kann möglicherweise aufzeigen, dass eine gemeinsame Marke der Quebrada de Humahuaca schwierig zu erfassen ist – oder vielmehr, dass die Städte Tilcara und Humahuaca in der Schlucht zwei unterschiedliche Stile der Vermarktung anwenden. Tilcaras Institution für Kultur und Tourismus beruft sich vor allem auf das kulturelle Erbe: In Werbematerialien tauchen häufig Wörter wie „Kultur“, „Sonne“, „Kunst“, „Gastronomie“ auf. Außerdem wirbt Tilcara mit dem Slogan „freudig, magisch und spirituell“ (als spanisches Original „alegre, mágica y espiritual“. Humahuacas Stadtpläne verweisen Touristen stärker auf landschaftliche Sehenswürdigkeiten. Vor allem der Hornocal hat wahrzeichenähnliche Wirkung.

Ein weiterer Punkt sind die verstärkt deklarierten regionalen Speisen, die verwendete Bezeichnung „kulturelle Gastronomie“ als Ausdruck von ebendiesen regionalen Speisen in Verbindung mit Live-Musik. Ergänzend waren die Dekoration mit regionalem Kunsthandwerk und die Verwendung von handgemachter Keramik aus der Schlucht zu beobachten. Offensichtlich verspricht man sich durch eine Berufung auf regionale Besonderheiten eine stärkere Attraktivität für Touristen.

Aushandlungsprozesse, wie die Attraktivitätssteigerung der Schlucht für Touristen bei gleichzeitigem Erhalt des Besonderen der Quebrada de Humahuaca, könnten theoretische Anknüpfungspunkte an die zusammengefassten Beobachtungen sein. Außerdem ist zu bedenken, inwiefern Touristen willkommen sind, wer sie willkommen heißt, wer nicht. Viele Bewohner der Schlucht scheinen Touristen nur hinzunehmen. Die Unterstützung des Tourismus und die Präsentation der Schlucht als Marke erfolgt vor allem durch die Profiteure vom Tourismus – Gastronomie, Unterkünfte, Reiseagenturen. Die Versprechungen zu Fortschritt und lokaler Entwicklung, die von der Provinzregierung zu Zeiten der Nominierung als Welterbe gemacht wurden, sind bis heute nur begrenzt eingetreten. Obgleich die negativen Auswirkungen des Tourismus die gesamte Schlucht und ihre Bewohner treffen, profitieren eher weniger Personen von den Einnahmen. Da die Präsentation der Schlucht nach außen aber  vor allem durch offiziellere Tourismusstellen erfolgt, werden Probleme größtenteils ausgespart und – wie Bergesio & Montial bereits dargestellt haben – die Schlucht als eine Fantasiewelt ohne Konflikte dargestellt.

 

[1] An dieser Stelle verwende ich den Begriff der Kultur in einem informellen, nicht in einem wissenschaftstheoretischen Sinne, so wie er von den Informanten in den Gesprächen verwandt wurde.