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Mapping Slavery Memory - Interaktionen und Narrationen auf der Ile de Gorée

Ile de Gorée

Die Ile de Gorée befindet sich 2 km vor der Küste der senegalesischen Hauptstadt Dakar und wird als sogenannte „Sklaveninsel“ von bis zu 100.000 Besucher_innen jährlich besucht. Sie ist damit die beliebteste Sehenswürdigkeit des westafrikanischen Staates. Die 36 Hektar kleine Insel wurde im Laufe der Kolonialzeit von Portugiesen, Niederländern, Engländern und Franzosen besessen, die diese Insel als Handelsposten benutzten. Besonders bekannt ist die Insel aufgrund ihres direkten Bezuges zum Sklavenhandel und wurde seit den 1980er Jahren, durch vielfache sozio-kulturelle Veränderungen in der community, ein beliebtes Ziel für Afro- Amerikanische Tourist_innen. Häufig wird der Besuch dabei als „Rückkehr“ zu den afrikanischen Wurzeln und dem Gedanken an die Verschleppung der Vorfahren narrativ begleitet. Einige Tourist_innen nehmen dazu an einer sogenannten „Heritage“ oder „Roots and Culture Tour“ entlang der westafrikanischen Sklavenküste teil, die einige Kulturwissenschaftler als „Pilgerschaft“ bezeichnen. Durch die einzigartige narrative Aufbereitung wird Gorée so zu einem „Kontaktraum“ mit der Vergangenheit, in dem sich Besucher_innen aktiv mit dem Begriff „heritage“ auseinandersetzen und letztendlich durch ihre Interaktionen mit dem Narrativ im Sinne eines „partizipativen Museums“, dazu beitragen dieses zu stabilisieren oder auch zu verändern.

Doch die Rolle Gorées und das dargestellte Narrativ sind nicht unumstritten. Seit 1978 ist Gorée und mit ihr das sogeannte „Sklavenhaus“ (französisch „Maison des esclaves“) ein UNESCO Weltkulturerbe, welches als eines der wenigen mit nur einem Kriterium in die Liste aufgenommen wurde. Im Falle des Gorée handelt es sich dabei um das umstrittene Kriterium VI, dessen Nutzung innerhalb der letzten Jahre immer weiter eingeschränkt wurde und die Nominierung Gorées zu einem Politikum macht. Einen Schwerpunkt dieser Forschung bildet die Untersuchung des Narrativ, welches eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten, das „Sklavenhaus“, welches lange als größter Umschlagsplatz für Sklaven in Westafrika galt. Durch die zum Haus gehörige „porte d’aller sans retour“ oder auch „door of no return“ sollen der Erzählung nach, bis zu eine Million Sklaven in die USA, Brasilien und andere Staaten verschleppt worden sein sollen. Seit Mitte des 1990er Jahre ist diese Rolle, im Rahmen einer Debatte um die Authentizität der Insel massiv umstritten worden. So behauptet der Historiker Phillip Curtin im Jahre 1995 „Gorée was never important in the slave trade!“ (Tillet 2009:125). In diesem Zusammenhang wird der Kuration, insbesondere dem mittlerweile verstorbenen Kurator des Sklavenhauses, Joseph Boubacar Ndaiye, vorgeworfen vor Ort ein plakatives, kommerzialisiertes und „amerikanisieres“ Narrativ der Sklaverei vorzustellen, welches historisch unhaltbar sei.

Trotz dieser Kontroverse ist dennoch kein Abriss der Besucherzahlen zu erkennen. Verantwortlich wird dafür in erster Linie die Symbolkraft des Ortes als Erinnerungsort gemacht. Gerade für Afro- Amerikanische Besucher_innen verknüpfen sich hier Vorstellungen der eigenen Identitätssuche, fern von einer „masterculture“, die ihre eigene Geschichte mit Konzepten von „Heritage“, „Diaspora“ , „Vergangenheit“ und „(counter)- Memory“ verleugnet haben, sowie der Verbindung zu Afrika und der Sklaverei, die im Forschungsbericht und auf diesen Seiten näher beleuchtet werden soll. Im Gegensatz zu vielen Forschungsarbeiten die sich mit Narrativen beschäftigen, möchte ich mit meiner Forschung durch unterschiedlichste Methoden nicht nur die Frage untersuchen, wie das Narrativ für die Besuchenden, durch performative Erzählungen und gut erzählte Ausstellungen inszeniert wird, sondern auch wie insbesondere Afro-Amerikanische Besucher_innen an diesem Narrativ und damit an diesem „Heritage“ teilhaben und es nachhaltig durch ihre Präsenz prägen. Zu diesem Zwecke versteht diese Arbeit „Heritage“ und „Identität“ nicht als Begriffe für die Umschreibung einer unflexiblen Erinnerungskultur, sondern versteht sie viel mehr als flexible „Performance“, die durch die Aktionen der Teilnehmenden immer neu interpretiert und validiert werden muss. Die Forschung nutzte neben informellen Gesprächen, einem Experteninterview mit dem Kurator und Museumsbegehungen, insbesondere die Methoden der teilnehmenden und systematischen Beobachtung und eine nachfolgende Erstellung von Kartenmaterial, von denen einige Eindrücke und Ergebnisse auf dieser Seite vorgestellt werden.