Historisches Nara: Kasuga Taisha
Japan ist eines der Länder mit den meisten UNESCO-Welterbestätten. Über das Land verteilt finden sich 20 einzigartige Stätten und Naturgebiete, die unterschiedlicher nicht sein können. Wie in vielen anderen Teilen der Welt gibt es auch in Japan Weltkulturerbe, die noch heute in ihrer ursprünglichen Funktion weiterbenutzt werden. Das trifft vor allem auf religiöse Gebäude zu.
In vielen Fällen nimmt mit der Ernennung zum Weltkulturerbe auch der Tourismus vor Ort zu. Daher stellt sich natürlich die Frage, welchen Einfluss der Tourismus auf diese Orte haben kann. Damit habe ich mich in der Forschung beschäftigt. Der Kasuga Taisha (Kaisha = Schrein) in der Stadt Nara ist neben dem Tôdaiji (Buddhistischer Tempel) einer der beliebtesten Touristenorte in der Region. Auf der gesamten Schreinanlage verteilt stehen und hängen rund 3000 Laternen, die den Ort malerisch und so besonders machen. Inmitten der Natur gelegen, zieht er nicht nur Betende, sondern auch viele Touristen und andere Besucher an. Zusammen mit der einzigartigen Architektur – der ganze Schrein erstrahlt in rot – verbreitet der Schrein eine ganz besonders ruhige und spirituelle Atmosphäre. Umso mehr fragte ich mich, wie diese Atmosphäre mit dem Tourismus einhergeht oder ob sie diese vielleicht konterkariert. Dabei wollte ich weggehen von der Infrastruktur des Ortes, den wirtschaftlichen Einflüssen hin zum Tourismus an sich, der gerade für Betende Einschränkungen bedeuten und Anpassungen erfordern könnte. Ich habe in der Zeit viele Touristen und Besucher des Schreins dazu befragt, habe beobachtet, was die Touristen vor Ort machen, und habe mit den Angestellten des Schreins über den Einfluss gesprochen.
Schnell wurde deutlich, dass die Anzahl der Touristen in den letzten Jahren zugenommen hat, besonders die Zahl der chinesischen Touristen. Zu der Zeit, in der ich vor Ort war, war ein Großteil der Besucher ganz klar Touristen. Nur ein kleiner Teil bestand tatsächlich aus Anwohnern oder Besuchern, die explizit zum Beten kamen. Dennoch habe ich deutlich mehr Besucher erwartet.
In vielen Befragungen und Gesprächen wurde aber auch deutlich, dass der Tourismus nicht nur positive Seiten hat. Viele Besucher beklagen den Lärm und die Unruhe durch die vielen Touristen und geführten Touren, die das Beten schwierig machen und damit der Spiritualität des Ortes entgegenstehen und diese gefährden können. Der Kasuga Taisha versucht hier entgegenzuwirken, indem z.B. für Betende in den frühen Morgenstunden vor der Öffnung des Schreins Gebete anboten werden. Ebenso wird auch der Schrein für Touristen gesperrt, wenn dort religiöse Zeremonien durchgeführt werden. Aber auch Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Teilen der Schreinanlage, festgelegte Routen für Besucher durch Heiligtum oder Informationstafeln zeigen die Einbettung und Regulierung des Tourismus. Dadurch zeigt sich eine symbiotische Beziehung zwischen Religion und Tourismus, bei der einmal der eine, einmal der andere Teil stärker bevorzugt wird.
Die Religion spielt vor Ort dennoch eine wichtige Rolle. Das zeigt sich meiner Meinung nach auch im shikinen zôtai-Ritual, das seit letztem Jahr bis November dieses Jahres (2016) durchgeführt wird. Dabei werden die Schreingebäude erneuert und renoviert. Vor allem der innere heilige Bereich des Schreins, der Ort, an dem nach dem Shintô-Glauben die Götter residieren, wurde im vergangenen Jahr abgerissen und neu errichtet. Am Kasuga Taisha wird das Ritual alle 20 Jahre durchgeführt und von vielen kleinen Zeremonien begleitet. Gerade dafür hat es sich gelohnt, die Forschung vor Ort zu machen.
Der Kasuga Taisha scheint also eine gute Mischung aus Beidem zu sein: Er wird sowohl von einigen Touristen besucht, als auch als Ort religiöser Zusammenkunft genutzt.