zum Inhalt springen
Die Bedul in Petra – Weltkulturerbe: Fluch oder Segen?

Cultural space of the Bedu in Petra and Wadi Rum

Die Felsenstadt Petra liegt im heutigen Jordanien und war in der Antike die Hauptstadt des Reiches der Nabatäer, besonders bekannt für ihre Tempel und Grabstätten, die direkt aus dem Fels gemeißelt wurden. Nachdem die Stadt eine Zeit lang in Vergessenheit geraten ist, begann 1920 ihre Erschließung als Ziel für Archäologen und Touristen aus Europa bis sie dann 1985 schließlich als UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen wurde.

Als Voraussetzung hierfür mussten die Bedul, die seit einigen hundert Jahren Petra besiedelten und sich selbst als Nachfahren der Nabatäer bezeichneten, umgesiedelt werden. Denn diese lebten in den vielen Höhlen um die Tempel herum, bewirtschafteten dort Land und hüteten ihre Herden – auch vor und in den alten Tempeln. Der erste Masterplan von 1968, der die Umsiedlung vorsah, scheiterte allerdings bis Mitte der 80er Jahre und erst nach vielen Versprechen und einigen Streitigkeiten erfolgte die Zwangsumsiedlung. Die Bedul bekamen Land nördlich von Petra zugesprochen und das Versprechen, im Tourismus-Sektor beschäftigt werden zu können. Einige Jahre und Masterpläne sowie einige Unruhen und zahlreiche Verhandlungen später wurden die Bedul selbst nominiert und schließlich 2008 zum immateriellen UNESCO Weltkulturerbe ernannt.

Im Vordergrund all dieser Maßnahmen sollte, laut der UNESCO, der Schutz Petras und der Bedul-Kultur stehen. Doch mir schien dies zweifelhaft und so beschloss ich der Frage nachzugehen, ob das Label der UNESCO für die Bedul Fluch oder Segen darstellt.

Um dem auf den Grund zu gehen, sollte meine Hauptmethode die teilnehmende Beobachtung werden. Da ich in Umm Sayhoun (dem Dorf der Bedul) bei einem der wohlhabendsten Männer wohnte, der jeden Tag zahlreiche Gäste empfängt, bekam ich unmittelbaren Einblick in die verschiedensten Bereiche. Zusätzlich dazu führte ich informelle Interviews, in deren Rahmen ich 15 Kamel- und Eselführer, vier Shop-Besitzer, einen Restaurantbesitzer sowie den Besitzer eines Reisebüros befragte.

Unerwartet kam für mich natürlich, dass von den 20 in Petra befragten Personen nur zwei wussten, dass die Bedul seit 2008 selbst zum UNESCO Weltkulturerbe gehören. Die restlichen 18 wussten lediglich, dass die Stätte Petra selbst seit 1985 Weltkulturerbe ist.

Von einer großen Veränderung wussten allerdings alle: Seit 2008 ist Umm Sayhoun zum „Beduin Village“ ernannt worden. Abgesehen von einem Schild am Ortseingang änderte sich vor allem eines für die Bewohner: Die Eröffnung von Hotels und Souvenirläden wurde strikt verboten. Die UNESCO argumentiert, dass die Kultur und das Leben der Bedul dadurch geschützt und nicht durch Touristen beeinflusst werden sollen. Die meisten der befragten Bedul empfanden dies jedoch als ungerecht, da solche Auflagen in Wadi Musa, das Dorf gegenüber, nicht existieren und die Bewohner dort vom Tourismus profitieren. Zudem wäre laut den Befragten das Argument der UNESCO dadurch entkräftet, dass es mittlerweile bei jugendlichen Bedul Alkohol- und Drogenprobleme gibt, die in ihren Augen durch Touristen eingeführt worden sind.

In meinen informellen Gesprächen kam zudem die Sprache auf das durch zwei Abhänge begrenzte Land in Umm Sayhoun. In Verbindung mit der ansteigenden Bevölkerungszahl führt die Landknappheit dazu, dass viele junge Männer im Alter zwischen 18 und 25 wieder zurück in die Höhlen ziehen, um dort zu leben. Fast alle Befragten sind entweder selbst in eine Höhle gezogen, in der bis vor 30 Jahren noch ihre Väter und Großväter lebten, oder hatten einen Bruder, der dies getan hat.

Aus meinen Beobachtungen und Gesprächen heraus konnte ich auch feststellen, warum sich die Bedul nicht gegen die Probleme, die ihnen das UNESCO-Label beschert hat, wehren. Denn das größte Hindernis stellt die soziale Ordnung der Stadt Umm Sayhoun dar, in der es keinen Bürgermeister und keine Verwaltung gibt. Die Dorfältesten, die diese Angelegenheiten in die Hand nehmen könnten, sind zerstritten und haben keinen gemeinsamen Standpunkt in den Verhandlungen mit der Regierung.