Maloti-Drakensberg-Park
Eine Straße soll ausgebaut werden. Sie bekommt ein neues Entwässerungssystem, wird verbreitert, ihr Verlauf teilweise begradigt, und sie erhält einen neuen festen Belag. Eindeutig wird dadurch die Fortbewegung erleichtert, beschleunigt, und in diesem Fall sogar erstmalig für den ‚normalen‘ Auto-Verkehr mit Zweiradantrieb geöffnet. Wieso sollte gerade der Tourismussektor dagegen sein, wenn doch eine gute Erreichbarkeit heute als wichtige Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg eines touristischen Zieles angesehen wird? Jedoch handelt es sich bei der von mir untersuchten Straße nicht um irgendeine sich seicht dahin schlängelnde Straße, sondern um den im Tourismus-Bereich international bekannten Sani Pass, der im südlichen Teil des Maloti-Drakensberg Nationalparks eine wichtige Verbindung zwischen der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal und dem lesothischen Hochland darstellt. Die beiden Landesregierungen wollen mit der Straßenteerung eine leichtere Erreichbarkeit der lesothischen Hochebene und dadurch letztlich Wirtschaftswachstum generieren – auch und vor allem im Tourismusbereich. Der Sani Pass überwindet auf seiner letzten Teilstrecke in nur 6,5 km 1.330 Höhenmeter und gilt damit als drittsteilster Pass der Welt. Darüber hinaus ist der Pass-Gipfel mit 2.874 Höhenmetern der höchste per Auto befahrbare Punkt im gesamten südlichen Afrika. Diese Aspekte scheinen eine Erklärung für die technisch herausfordernde Problematik dieses Straßenausbaus abzugeben, aber nicht dafür, dass besonders der südafrikanisch-lokale Tourismussektor entschieden gegen den Straßenausbau protestiert. Tatsächlich kommt auch eine von der südafrikanischen Regierung im Zuge der Entscheidungsfindung beauftragte Wirtschaftsstudie zu dem Schluss, dass eine Teerung des Sani Passes den lokalen Touristikunternehmen nachhaltig schaden würde. Diese gegnerische Seite lässt sich nur verstehen, wenn man die bisherige Nutzung der Straße und die dortige Tourismusstruktur untersucht.
Die beiden als Einfallstor zum Sani Pass geltenden südafrikanischen Grenzorte Underberg und Himeville liegen schon etwas abseits der typischen Touristenrouten im beliebten Reiseland Südafrika, aber der Tourismus ist der zweitwichtigste Wirtschaftsbereich der Gemeinde (der wichtigste ist die Landwirtschaft). Insbesondere Kleinreisegruppen und Individualtouristen aus Deutschland und den benachbarten europäischen Ländern besuchen die Orte, um eine der typischen Abenteuer-Offroad-Touren auf dem Sani Pass mitzumachen. Obwohl diese Touren mehrere Erlebniskomponenten, wie z.B. Naturerlebnisse im Nationalpark, beeindruckende Bergausblicke, den Besuch eines ‚echten‘ Basotho (Einwohner Lesothos)-Dorfes und die Einkehr im ‚höchsten Pub Afrikas‘ beinhalten, ist die Befahrung der Pass-Straße in Allradfahrzeugen die größte Attraktion.
Mein Forschungsbericht konzentriert sich auf die Erklärung dieses Phänomens und zeigt auf, wieso gerade der Schotter-Zustand des Sani Passes die einzelnen Erlebniskomponenten der Touren in spezifischer Weise zu verbinden vermag, so dass die Touristen die Touren als naturnahe Abenteuerexpeditionen ins lesothische Hochland wahrnehmen. Damit halte ich die Ausgangssituation für die nun beginnende und über mehrere Jahre geplante Bauzeit des Infrastrukturprojektes fest und sehe darin eine großartige Gelegenheit, dass man darauf aufbauend, den gesamten Projektverlauf in der Zukunft begleiten und untersuchen könnte. Gerade neueste ethnologische Forschungen zeigen, wie sehr die Untersuchung von Infrastrukturen dazu geeignet ist, inhärente Machtverhältnisse in der Dreiecks-Konstellation von Politik, Technik und Gesellschaft aufzuzeigen, die das soziale Leben der Menschen im Umfeld der Infrastrukturen bestimmen - ein spannender Forschungstrend, weil er wegführt vom anthropozentrischen Ansatz hin zu einer ganzheitlicheren Erfassung von Lebenswelten.